Gedanken zum sonntäglichen Evangelium
Jemand ruft in der Wüste: Macht den Weg frei für den Herrn! Räumt alle Hindernisse weg! Jedes Tal soll aufgefüllt, jeder Berg und Hügel abgetragen werden, krumme Wege sollen begradigt und holprige Wege eben werden! Dann werden alle Menschen sehen, wie Gott Rettung bringt! (Lk 3,4-6)
Johannes' Botschaft wird inmitten einer Zeit großer sozialer und politischer Spannungen verkündet. Beschrieben wird die historische Situation als "Wüste", bestimmt von weltlichen und religiösen Herrschern (Lk 3, 1-2), die Krieg, Verfolgung und Unrecht schaffen. Zugleich richtet er seine Botschaft der Befreiung an die Menschen selbst, "krumme Wege zu beseitigen und holprige Wege zu ebnen". Gottes Rettung vollzieht sich durch die Menschen! Johannes der Täufer ist wohl der letzte große Prophet der alttestamentarischen Tradition. Wie kein anderer formuliert er den Anspruch Gottes an die Menschen. Wir Menschen haben die natürliche Begabung, diesen Anspruch zu erkennen. Die Vernunft und das Gewissen befähigen uns dazu! Im weiteren Text dieses Kapitels des Lukasevangeliums wiederholt er diese Botschaft: Es sind die Taten der Menschen, die umkehren, begradigen, ebnen und damit Gottes Plan erfüllen.
Eine Bilderausstellung über Afrika im Sommer hat uns noch einmal anschaulich verdeutlicht, welcher Platz dieser Text im Lukasevangelium für unser entwicklungspolitisches Engagement und das Verhältnis zu unseren Partner hat. Schauen wir in die Wüste (aus der Johannes kam) oder richten wir den Blick auf die Menschen, die im Sinne Johannes` Veränderungen bewirken. So können wir den Blick bzw. die Perspektive auf Afrika wecheln.
Ist Afrika für uns die große Wüste bzw. der "Wartesaal des Todes"?
Ist Afrika ein Kontinent, in dem viele, sehr viele Menschen aufbrechen und den sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Wandel gestalten, in dem sie krumme Wege begradigen und holprige ebnen?
Welche Geschichten über Afrika bzw. Madagaskar sollen wir erzählen?
Afrika - Zahlen und Fakten
Afrika wird in dieser Geschichte als "Kontinent in Not" beschrieben, der von Armut, Krankheit und Hunger geprägt ist. Diese Erzählung wird häufig von Hilfsorganisationen und Medien verbreitet, die Bilder von hungernden Kindern oder Konflikten nutzen, um Aufmerksamkeit und Spenden zu generieren. Afrikaner:innen werden häufig auf passive Opfer reduziert, die der Hilfe von außen bedürfen. Aus humanitärer Sicht bleibt diese Haltung richtig. Schließlich hat die Wüste ihre eigenen Namen: Epedemien, Krieg und Vertreibung, Hunger- und Klimakatastrophen. Die aktiven Protagonist:innen sind in der Regel aber immer die Menschen aus den ‚hilfreichen‘ Gesellschaften.
Ein vielfaches "K": Krieg, Konflikt, Korruption, Katastrophen, Krisen, Krankheiten
Seit dem 19. Jahrhundert bezeichnet der Begriff "dunkler Kontinent" Afrika als einen mysteriösen, unerforschten und bedrohlichen Ort. Bundespräsident a.D. Horst Köhler hat dies mit der "K"-Beschreibung zum Ausdruck gebracht. Diese Geschichte wurde durch Kolonialmächte wie Großbritannien und Frankreich - und auch Deutschland trägt hier Schuld - geschrieben und legte den Fokus auf die Andersartigkeit und „Primitivität“ des Kontinents und seiner Bewohner:innen. Unzählige Erzählungen bedienten die Meinung - die eigene Geschichte Europas ausblendet - dass dieses Afrika von "archaischen" Stammeskulturen geprägt ist. Diese Geschichten wirken bis heute nach. Afrika - wie der Schriftsteller Henning Mankell schreibt - wird dabei oft als „Hinterland ohne Kultur oder Struktur" oder als "Wartesaal des Todes" dargestellt.
Wir wissen viel darüber wie Afrikaner:innen sterben, aber nicht wie sie leben
Dieser Satz stammt von Henning Mankell. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts hat sich ein neues Narrativ entwickelt, das Afrika als „aufstrebenden Kontinent“ beschreibt. Es zeigt dynamische Metropolen, eine wachsende Mittelschicht, innovative Start-ups, Projekte des Klimaschutzes und eine erstarkende Zivilgesellschaft. Hier kommt ein Kontinent voller Kreativität und kultureller Vielfalt zu Wort mit seinen vielen mutigen und vom Wandel angetriebenen Menschen. In unserer Partnerschaft begegnen wir diesen Menschen. Wir erleben den Lebensmut, den Zusammenhalt, die Aufgeschlossenheit dieser Menschen Afrikas. Und es verschlägt uns die Sprache zu sehen, wie sie Projekte für ein gutes Leben auf den Weg bringen. Diese Menschen zeigen uns, wie Gott Rettung bringt. Sie sind es, die krumme Wege begradigen und holprige Wege ebnen.