14. Dezember ( 3. Sonntag im Advent)

Da aber Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger und ließ ihn fragen: Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert. (Mt 11, 2f)

Das heutige Evangelium beinhaltet zwei Erzählungen: Die Frage des Täufers aus dem Gefängnis mit der Antwort Jesu sowie die Rede Jesu über Johannes selbst.

JdT

Johannes im Gefängnis

Johannes’ Gefangenschaft ist Ausdruck der sozialen und politischen Realität Palästinas im ersten Jahrhundert. Herodes Antipas herrscht im Auftrag Roms; seine Macht beruht auf Gewalt, sozialer Spaltung und religiöser Instrumentalisierung. Johannes’ Kritik an der Ehe des Herodes (Mt 14,4) ist keine moralische Einzelbemerkung, sondern eine politische Provokation: Sie entlarvt den Missbrauch von Macht und Religion.
Seine Inhaftierung steht daher exemplarisch für das Schicksal prophetischer Stimmen, die die Strukturen des Unrechts beim Namen nennen. Er verkörpert die Stimme, die angesichts strukturellen Unrechts nicht schweigt. Óscar Romero spricht von der Stimme der Stimmlosen. Seine Inhaftierung und sein Tod sind Ausdruck jener Konsequenz, mit der der Glaube an Gottes Gerechtigkeit gegen die Mächtigen verteidigt wird. 

Das Gefängnis steht für Unterdrückung, für das Schweigen, das die Mächtigen über unbequeme Stimmen verhängen wollen. Die Menschen Madagaskars leben nicht in Gefängnismauern wie Johannes – aber viele leben in strukturellen Gefängnissen aus Armut, Ungerechtigkeit, Korruption und globaler Ausbeutung. Wie Johannes gibt es auch heute Menschen in Madagaskar, die Unrecht anklagen: Kirchliche Gruppen, Menschenrechts- und Klimaaktivist:innen, Journalist:innen und einfache Dorfgemeinschaften, die sich gegen Korruption, Vertreibung und Umweltzerstörung wehren.

Jesus Antwort als Programm der Befreiung

Johannes fragt: „Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Vielleicht steckt viel Skepsis in seiner Frage. Wie so viele Menschen in seiner Zeit hat wartet er auf einen machtvollen Messias, der Gericht hält und das Unrecht beseitigt. Johannes’ Frage spiegelt vielleicht auch die Erfahrungen vieler Menschen wieder, die im Angesicht von Unrecht und Leid an Gottes Gegenwart zweifeln. Seine Situation steht für das Leiden der Entrechteten und Verfolgten, deren Hoffnung auf Befreiung sich zu verzögern scheint: hier bei uns und weltweit, auch in Madagaskar.

Stattdessen hört er von einem Jesus, der heilt, vergibt, den Armen das Evangelium verkündet und von konkreten und "ärgerlichen" Taten spricht: „Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet.“ (Mt 11,5)

Damit deutet Jesus die Ankunft des Reiches Gottes als konkrete, erfahrbare Befreiung an. Und Jesus zeigt Johannes auf, dass das Gefängnis des Johannes ein Zeichen ist: Wo Menschen ihrer Freiheit beraubt werden, dort beginnt Gottes befreiendes Handeln,

In einer Krippe werden wir in einigen Tagen einen Ort antreffen, wo mit der Geburt Jesu Gottes befreiendes Handeln beginnt. In einer menschenunwürdigen Unterkunft wird "den Armen das Evangelium verkündet".

Gefängnis für Gewerkschaftler in Madagaskar

Ein konkretes Beispiel für Madagaskar ist die Verhaftung von fünf Gewerkschaftern im Juli 2023. Sie wurden während Protesten gegen die Ilmenit-Mine von Rio Tinto (QMM) festgenommen. Die Gewerkschafter kritisierten die Zerstörung von Lebensgrundlagen durch die Minenaktivitäten, die den Zugang zu Wasser, Nahrung und medizinischer Versorgung beeinträchtigten. Ihre Verhaftung verdeutlicht, wie Menschen, die sich gegen Umweltzerstörung und soziale Ungerechtigkeit einsetzen, repressiven Maßnahmen ausgesetzt sind. 

In Madagaskar sind solche Repressionen keine Einzelfälle. Laut dem Amnesty International Report 2023/24 werden die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit weiterhin eingeschränkt. Dies betrifft besonders Aktivist:innen und zivilgesellschaftliche Akteur:innen, die sich für soziale und ökologische Gerechtigkeit einsetzen.

In dieser Hinsicht kann Johannes der Täufer als Symbol für den Widerstand gegen Unterdrückung und als Vorbild für prophetisches Handeln in Zeiten der Repression verstanden werden. Seine Inhaftierung und sein späteres Martyrium stehen für den Preis, den viele für ihren Einsatz für Gerechtigkeit zahlen müssen – ein Thema, das auch in der aktuellen Situation Madagaskars von Bedeutung ist.