Von Euphorie war nicht die Rede, als am 11. Juni 2021 der Arbeitskreis Madagaskar der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung, KAB, der Diözese Aachen feststellte, dass durch das am gleichen Tag verabschiedete Lieferkettengesetz in der bundesdeutschen Geschichte erstmals eine gesetzliche Verpflichtung für Unternehmen geschaffen wurde, Menschenrechte in globalen Wertschöpfungsketten zu schützen. Bei drei zentralen Kernbereichen des Lieferkettengesetzes haben die Unternehmerverbände und die Wirtschaftslobby in der Union – so der AK Madagaskar in seiner Erklärung - dem Gesetzgeber jedoch die Löschtaste geführt: die mittelbaren Zulieferer wurden aus dem Blick genommen, die zivilrechtliche Haftung gestrichen, die Umweltbelange tauchten kaum noch auf.
Nun heisst es im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung: „Wir unterstützen ein wirksames EU-Lieferkettengesetz, basierend auf den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte, das kleinere und mittlere Unternehmen nicht überfordert. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten wird unverändert umgesetzt und gegebenenfalls verbessert. Wir unterstützen den Vorschlag der EU-Kommission zum Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten. Wir unterstützen das von der EU vorgeschlagene Importverbot von Produkten aus Zwangsarbeit.“
Idealerweise und gegebenenfalls: Begriffe, die Vereinbarungen und Ankündigungen in zentralen Bereichen des Koalitionsvertrages relativieren. Wenn nun die politische Verantwortung für menschenrechtlich gestaltete Lieferketten auf die EU verschoben wird, dann sollten wir in der KAB diesen Faden aufgreifen und die Karte Europa ziehen. Schließlich ist ein EU-Lieferkettengesetz in Planung, so der Beschluss des EU-Parlaments vom 10. März 2021.
Erste Entwürfe des verantwortlichen EU-Kommissars machen deutlich, dass ein europaweites Lieferkettengesetz die Schwachstellen des deutschen Gesetzes auflöst: Der Anwendungsbereich soll vergrößert werden, die zivilrechtliche Haftung aufgenommen und auch mittelbare Lieferanten sollen überprüft werden.
Der AK Madagaskar wird die aktuelle Entwicklung beobachten und alle Möglichkeiten der zivilgesellschaftlichen Einflussnahme auf die Entscheidungen der EU ausschöpfen. Unser nächstes Lieferkettenpaket geht dann nicht nach Berlin, sondern nach Brüssel. Menschenrechtlich gestaltete Lieferketten: das ist eine zutiefst christliche Haltung.
25.11.2021 | AK-Madagaskar | Andris Gulbins | andris.gulbins@kpnmail.nl